Kultur & Geschichtskontor Bergedorf

Das Kultur- & Geschichtskontor ist die Geschichtswerkstatt für Bergedorf, Lohbrügge und die Vier- und Marschlande. Lernen Sie unsere Angebote kennen.

861 JAHRE BERGEDORF

EIN STADTTEIL MIT GESCHICHTE

Der heutige Bezirk Bergedorf mit seinen insgesamt 13 Stadtteilen hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Schon die territoriale Zugehörigkeit ist etwas unübersichtlich: Das kleine Städtchen Bergedorf mit den dazugehörigen Vierlanden wurde fast 450 Jahre lang von den Hansestädten Hamburg und Lübeck im Wechsel verwaltet, während die sieben Marschlande direkt zu Hamburg gehörten und sich das Bauerndorf Lohbrügge auf holsteinischem Boden befand. Somit verliefen auch verschiedene Zollgrenzen quer durch den heutigen Bezirk. Erst mit dem „Groß-Hamburg-Gesetz“ von 1937 kamen alle Gebiete geschlossen zu Hamburg.

BERGEDORF IM MITTELALTER

Kurz nachdem sich das Christentum in der Mitte des 12. Jahrhunderts in Norddeutschland durchgesetzt hatte,wurde auch in Bergedorf ein erstes kleines Kirchspiel gegründet. Neben der einfachen Kirche, die wohl schon am Ort der heutigen St. Petri und Pauli-Kirche stand, entstand eine kleine Siedlung.

Während einer kurzen Episode dänischer Besatzung zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurden wichtige Entscheidungen für die Region getroffen. Die Dänen erkannten die günstige Verkehrslage Bergedorfs, ließen hier die Bille aufstauen und begannen gleichzeitig, die Vierlande durch Deichbaumaßnahmen den Gezeiten der Elbe zu entziehen. Nachdem sich die Dänen im Jahr 1227 wieder aus Norddeutschland zurückziehen mussten, fiel Bergedorf an die Herzöge von Sachsen-Lauenburg. Sie nutzten die kleine Burg im Zentrum des Städtchens zeitweise als fürstlichen Sitz, verloren aber nach und nach an Macht und Einfluss.

Die blühenden Hansestädte Hamburg und Lübeck hatten schon länger ein Auge auf Bergedorf geworfen und griffen 1420 schließlich gemeinsam den Herzog von Sachsen-Lauenburg an. Während der fünftägigen Belagerung wurde die Bergedorfer Burg weitgehend zerstört; viele Häuser im Städtchen brannten nieder. Der Sieg der Truppen aus Hamburg und Lübeck war der Beginn einer „beiderstädtischen Verwaltung“ Bergedorfs. Die beiden Hansestädte benannten in der Folgezeit immer abwechselnd einen Amtsverwalter, der sich um die Amtsgeschäfte zu kümmern hatte. Zum „Amt Bergedorf“ gehörten auch die Vierlande, das Dorf Geesthacht und ein großer Teil des Sachsenwaldes. Das hier geschlagene Holz wurde nach Bergedorf transportiert und konnte über den 1442 angelegten Schleusengraben auf dem Wasserweg nach Hamburg gebracht werden.

Städtchen und Land

Im Städtchen Bergedorf gab es nur drei Straßen, aber es wohnten im Jahr 1590 schon etwa 1000 Menschen hier. Zwei Stadttore grenzten den Ort nach Westen und Osten ab und ein Stadtgraben schützte vor kleineren Übergriffen. Einige Einwohner verdienten ihr Geld als Handwerker, andere waren so genannte Ackerbürger – das heißt, sie lebten als Bauern mitten in Bergedorf und hatten ihre Felder vor der Stadt. Ab 1600 entstand südlich des Stadtkerns eine bescheidene Vorstadt aus einfachen Häusern. Hier wohnten Kleinhändler und Handwerker mit ihren Familien in sehr beengten Verhältnissen.
Die Bauern der Vierlande profitierten von der Nähe zu Hamburg. Sie handelten mit Getreide und Hopfen für die Hamburger Bierbrauer und erreichten dadurch oft beachtlichen Reichtum. So konnten sich die Großbauern, die „Hufner“, prächtige Häuser mit zum Teil aufwändigem Fassadenschmuck leisten. Eines davon ist das um 1535 erbaute Rieckhaus in Curslack, das heute als Freilichtmuseum besichtigt werden kann.

Die Entwicklung Bergedorfs und der Vierlande wurde immer wieder durch Kriege und Naturkatastrophen zurückgeworfen. Durchziehende Soldaten verwüsteten das Land, Sonderabgaben zur Finanzierung der Truppen belasteten die Einwohner. Mehrere verheerende Flutkatastrophen überschwemmten die Vierlande, und der Bergedorfer Stadtkern wurde im Jahr 1621 durch einen Großbrand weitgehend zerstört.

Bergedorf wird Industriestandort

Auch wenn mit der Eröffnung der Hamburger-Bergedorfer Eisenbahn 1842 mehr Ausflugsverkehr kam und die Anbindung zu Hamburg enger wurde, blieb Bergedorf bis etwa 1860 ein kleines, beschauliches Landstädtchen. Dies änderte sich erst, als Lübeck 1868 seinen Anteil am Amt Bergedorf an Hamburg abtrat. Bergedorf wurde zu einer eigenständigen Stadt im Hamburger Staat und erhielt wesentlich mehr Kompetenzen als zuvor. Die Zollgrenzen fielen und gleichzeitig begannen sich verschiedene Industriebetriebe in Bergedorf und dem direkt benachbarten Sande, einem Ortsteil von Lohbrügge, anzusiedeln.
Entlang des Schleusengrabens, an der Kampchaussee (heute Kurt-A.-Körber-Chaussee) sowie in Sande entstanden zahlreiche Fabrikanlagen. Die Stuhlrohrfabrik Sieverts und das „Bergedorfer Eisenwerk“ von Wilhelm Bergner wurden zu den größten Arbeitgebern vor Ort. Entsprechend wuchs die Bevölkerungszahl zwischen 1880 und 1910 auf mehr als das Dreifache. Die Stadtverwaltung musste mit dem Bau neuer Straßen, Schulen und öffentlicher Einrichtungen reagieren. In dieselbe Zeit fallen auch grundlegende Verbesserungen in der Versorgung der Bevölkerung durch sauberes Trinkwasser, Kanalisation, Gas und elektrischen Strom. Zwischen 1906 und 1912 wurde zudem auf dem Gojenberg die Hamburger Sternwarte neu erbaut. Die Anlage war eine der bedeutendsten Sternwarten Europas und ist noch heute ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung.

Die Weimarer Republik

Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde Bergedorf in den 1920er Jahren städtebaulich regelrecht umgekrempelt. Betrachtet man die verschiedenen Bauvorhaben, so scheint die damalige Stadtverwaltung bemüht gewesen zu sein, möglichst viele Probleme auf einmal zu lösen. Man wollte Verkehrsengpässe beseitigen, neuen Wohnraum schaffen, die Arbeitslosigkeit bekämpfen und der Stadt ein „modernes“ Gesicht geben – und das alles in möglichst kurzer Zeit.
Unter dem sozialdemokratischen Bürgermeister Wilhelm Wiesner entstanden binnen weniger Jahre unter anderem das Amtsgerichtsgebäude in der Ernst-Mantius-Straße, die schräg gegenüber liegende Badeanstalt und die Luisenschule. Ebenso ließ Wiesner die riesige Villa des Kaufmanns Messtorff an der Wentorfer Straße zum repräsentativen Rathaus umbauen. Die neu angelegte Vierlandenstraße entlastete die Innenstadt vom Warenverkehr in die Vierlande. Parallel setzte die Stadtverwaltung ihre Vorstellung vom modernen Wohnen durch. Für kleine, verwinkelte Fachwerkbauten mit niedrigen Decken war kein Platz mehr, lange Reihen von Mietsblocks wie in der Holtenklinker Straße oder dem Weidenbaumsweg traten an ihre Stelle.

Alltag und Verbrechen

Der Bauboom fand sein Ende mir der nationalsozialistischen Machtübernahme von 1933. Wie in allen deutschen Städten wurden auch in Bergedorf linke Oppositionelle verhaftet und die jüdischen Bürger mussten erste Verfolgungen erdulden. Währenddessen bemühten sich die neuen Machthaber, ihre Vorstellung einer „Volksgemeinschaft“ bei der Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen.

Der Kriegsbeginn war ein bedeutender Einschnitt im Leben vieler Bergedorfer. Männer zogen an die Front und kehrten oft nicht zurück, die Versorgungslage wurde knapper und die Angst vor Luftangriffen prägte den Alltag. Die Industriebetriebe stellten auf Rüstungsproduktion um, und fast alle Firmen begannen, Männer und Frauen aus den eroberten Gebieten als Zwangsarbeiter einzusetzen. Die Lebensbedingungen dieser Menschen waren von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich.

Im Dorf Neuengamme fand die SS in der Nähe einer alten Ziegelei einen Ort, um ab 1938 ein Konzentrationslager einzurichten. Es wurde nach wenigen Jahren zum größten KZ Norddeutschlands. Im KZ Neuengamme und seinen mehr als 80 Außenlagern wurden bis 1945 rund 100.000 Menschen inhaftiert. Schätzungsweise die Hälfte von ihnen kam dabei zu Tode. Heute beschäftigt sich die KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit mehreren Ausstellungen und Erinnerungsstätten sowie einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit diesem Abschnitt der Bergedorfer Geschichte.

Nachkriegszeit

Am 3. Mai 1945 rollten britische Panzer in Bergedorf ein, das von Luftangriffen während des Zweiten Weltkrieges fast vollständig verschont geblieben war. Vielmehr fanden viele ausgebombte Hamburger hier zunächst Zuflucht. Auch eine große Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Osten des Deutschen Reiches strömte nach Bergedorf. Wohnraum wurde immer knapper, ebenso waren Lebensmittel und Brennstoff in den ersten Nachkriegsjahren schwer zu bekommen. Hier waren die Vierländer Bauern mit ihren Anbauflächen im Vorteil.
Um die Wohnungsnot zu beheben, wurde ab 1948 wieder gebaut. Das Bevölkerungswachstum und damit zusammenhängend der kontinuierliche Wohnungsbau sind seit den 1950er Jahren zum charakteristischen Merkmal des Bezirks Bergedorf geworden. In Lohbrügge-Nord (ab 1960), Bergedorf-West (ab 1968) und Neuallermöhe (ab 1982) entstanden komplett neue Stadtteile – im wahrsten Sinne des Wortes auf der grünen Wiese.
Für die Bauvorhaben in der Bergedorfer Innenstadt wurde keine Rücksicht auf historische Gebäude genommen. Hierfür war vor allem der Bau der Bergedorfer Straße 1956-58 quer durch die historische Vorstadt verantwortlich. Doch auch in der alten Hauptstraße Bergedorfs, dem beschaulichen Sachsentor, kann man neben gut gepflegten Altbauten so manche Bausünde der vergangenen Jahrzehnte sehen.